Auf anderen Wegen

Berichte von 08/2017

Mittwoch, 30.08.2017 Kurz vorm Scheren

Langsam steigt hier die Nervosität vor der shearing season. Wir wollen Montag anfangen. Also wird jetzt nervös der Wetterbericht verfolgt (nasse Wolle kann man nicht scheren), alle Schafe werden eingetrieben, sortiert und auf die paddocks nahe der Farm verteilt und der 40 Jahre alte Scher-Motor wird repariert. Wenn man Grant glauben kann, gibt es nämlich leider in der modernen Zeit nichts mehr, was die Qualität von früher hat. Das geht von Autos (er fährt am liebsten seine 40 Jahre alten Lada) über Plastik-Trichter (nur verdammte chinesische sind zu kriegen) zu australischen Arbeitern (heute alle faul!!). Ich nehme inzwischen alles mit Humor. Ich habe nämlich heute mit Grant gesprochen und ihm gesagt, dass ich nach der stressigen shearing Zeit abreisen möchte. Einerseits schlägt mir das ewige geschreie hier aufs Gemüt und andererseits ist es auch doch sehr einsam, wenn der einzige Mensch mit dem man zu tun hat diese fluchende Person ist. Grant hat zum Glück sehr nett reagiert, wenn auch traurig. Hat mich direkt gefragt, ob es an seiner Art liegt. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich einfach insgesamt zu soft bin und mir sowohl diese Stimmung, als auch Landwirtschaft mit Tieren zu nahe geht. Gestern haben wir ein Schaf gefunden, dem Krähen die Augen ausgepickt haben. Es lebte noch und muss schon mindestens zwei Tage blind und hilflos dort gelegen haben. Das ging mir tatsächlich sehr nahe :-(

Ich weiß noch nicht genau, wie es weiter gehen wird, wenn ich hier die Segel streiche. Ich habe c.a. 6 Wochen zu füllen, bis ich auf Troys Farm arbeiten kann. Aber ich bin sehr froh, die Entscheidung getroffen zu haben und jetzt ein Ende zu sehen. 

Kommentar schreiben

Mittwoch, 23.08.2017 Schafe, so weit das Auge reicht

Drei Wochen in Bigga in diesem unordentlichen Haufen namens The Alps. Ich bin in den letzten drei Wochen durch so ziemlich jedes Gefühl mal durch gelaufen. Grant hat sehr sehr gute und freundliche Seiten, kann aber leider innerhalb von Sekunden zum fluchenden Berserker werden, der Sachen durch die Gegend schmeißt, tobt und nur noch rot sieht.Meistens geht diese Aggression zum Glück nicht gegen mich. Letzte Woche allerdings hat er mich fast dazu gebracht, einfach meine Sachen zu packen. Er hatte mir den Auftrag gegeben mit einem der Hunde 5 Schafe auf einen anderen paddock zu treiben. Dazu muss man wissen: je kleiner die Gruppe, desto schwerer ist es sie in eine bestimmte Richtung zu treiben, weil Schafe sich gerne kollektiv bewegen. Bei 50 Schafen ist die Wahrscheinlichkeit, da ein paar die richtige Richtung einschlagen sehr viel wahrscheinlicher. Mit einem ordentlich ausgebildeten Hund wären auch 5 Schafe kein Problem - aber keiner der Hunde hier ist wirklich ausgebildet. Auf jeden Fall hat der Hund irgendwann ein Schaf raus gepickt und quer über den paddock durch einen Zaun gejagt. Einmal auf der anderen Seite gab es für mich keine Chance mehr, das Schaf zu erreichen. Das Donnerwetter danach hatte sich gewaschen. “muss ich denn hier alles selber machen, kannst du noch nicht mal den Hund dazu bringen zu gehorchen... “ die Schimpfwörter spare ich hier lieber aus. Wie schön wäre es, wenn ich in so einer Situation einfach zurück schreien könnte, wütend und selbstbewusst. Aber nein, wer mich kennt weiß, dass ich bei Wut erstmal anfange zu heulen wie ein kleines Kind. Grant hat sich dann auch ziemlich schnell wieder gefangen und hundertmal entschuldigt, aber das schlechte Gefühl blieb. Es war auch wirklich unfair, weil der Hund noch nicht mal ihm gehorcht. On Top kam an dem Tag noch, dass abgesprochen war, dass ich die Farm  schon gegen vier fürs Wochenende verlasse, damit ich hier nicht im Dunkeln fahren muss. Hier gibt es sehr viele Kängurus und Wombats (letztere sind so solide, dass sie ein Auto angeblich zerstören, wenn man kollidiert). Im Endeffekt war ich erst um sieben wieder auf der Farm. Grant wollte mich dann überreden erst am nächsten Tag zu Troy zu fahren, aber ich wollte nur weg. Die drei Tage Auszeit mit Troy habe ich dann auch gebraucht um wieder zu mir zu kommen.

Gestern war Grant's Frau den ganzen Tag hier und ich habe mit ihr darüber gesprochen, wie sehr mir diese Stimmung manchmal aufs Gemüt schlägt. Ich glaube sie hat ihm ganz schön den Kopf gewaschen, heute hat er sich nämlich sehr viel Mühe gegeben ;-) ich glaube wenn ich nicht mein eigenes Auto hätte würde ich nicht hier bleiben. Da ich aber immer meine Fluchtmöglichkeit hier habe, warte ich einfach erstmal ab und fülle weiterhin das Konto auf. Mein Auto lasse ich übrigens schon nur noch 1,5 km den Berg hoch stehen. Der letzte Abschnitt unserer Auffahrt ist so steil, huckelig und ausgewaschen, dass Troy mir empfohlen hat, meinem Roody das nicht anzutun. 

Es gibt aber auch schöne Sachen zu erzählen. Mein kleines Flaschen-Lamm zB. Bummie ist inzwischen 2 Wochen alt und folgt mir auf Schritt und Tritt, wenn ich ihn nicht einsperre. Flaschenkinder wachsen wohl sehr viel schneller als normale Lämmer, weil sie mehr Milch von uns bekommen können als von einer natürlichen Mutter. Bummie ist eigentlich immer hungrig - und wenn nicht, nuckelt er trotzdem an der Flasche, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Inzwischen entdeckt er seinen Körper und macht dauernd Bocksprünge, wenn er läuft. Und er nimmt alles in das winzig kleine Maul, was er finden kann. Auf der Koppel wäre das wahrscheinlich Heu und Gras, hier ist es aber auch mal mein Schuh, meine Jacke, alles an Werkzeug, was man benutzen will und generell alles, wo man Menschen am besten den Weg versperren kann. Leider interessiert er sich überhaupt nicht für andere Schafe. Selbst die beiden ehemaligen Flaschenkinder, die sich bevorzugt ums Haus herum aufhalten (ausgewachsene Schafe) interessieren ihn nicht. Er denkt einfach, er ist ein Mensch und ich bin seine Mama. Aber vielleicht ist das der Sinn, dass ich hier gelandet bin. Wo sonst wäre ich Schaf-Mama geworden ;-)

Kommentar schreiben

Mittwoch, 02.08.2017 The alps

Fast zwei Wochen bin ich jetzt hier auf “The alps“. Die Anfahrt war ein ganz schönes Durcheinander kann ich euch sagen. Grant hatte mir zwar gesagt ich kann mich auf keine Navigationssysteme verlassen, aber seine Wegbeschreibung war so kompliziert, dass ich das nicht so richtig ernst genommen habe. Böser Fehler! Ich bin bestimmt eine Stunde sinnlos im Kreis gefahren, weil eine Straße die mein Navi nehmen wollte, gesperrt war und ich irgendwann dann einfach 25 km zurück gefahren bin und wieder auf der richtigen Strecke war. Leider kam dann irgendwann da, wo Zivilisation sich schon auf wenige Farms alle paar Kilometer beschränkt, eine missverständliche Anweisung in der Wegbeschreibung und ich habe den falschen Weg genommen. Das ist mir leider erst nach 20 km unbefestigte Straße aufgegangen. Dass es weder Telefon- noch Internetempfang gab muss ich ja sicher nicht erwähnen... Den Tränen nah habe ich dann irgendwann beim einzigen Farmhaus weit und breit gehalten. Der ältere Mann dort hat mir sofort angeboten 1. Bier, 2. Tee oder 3. Grant für mich anzurufen. Ich hab mich dann für die letzte Option entschieden. Er war sichtlich enttäuscht, dass ich ihm nicht länger Gesellschaft leisten wollte! Nach einer aufgemalten Wegbeschreibung habe ich dann die völlig abgelegene Farm ohne weitere Probleme gefunden. Grant hatte mir schon vorher geschrieben, die Farm wäre ein bisschen messy und wie ich schnell feststellte, war das eine bodenlose Untertreibung. Ich kenne es inzwischen von den anderen Farms, dass irgendwo eine Fläche ist, wo ausgediente Autos abgestellt werden und sich allerhand Müll ansammelt, bei Grant verteilt sich das einfach auf die komplette Fläche rund ums Wohnhaus. Im Haus das gleiche Bild. Überall Klamotten auf dem Boden, Stapel von Papieren liegen rum, die Küche überall voller Spritzer aus alten Tagen... Ich habe wirklich erstmal einen Schlag bekommen (und ich bin nicht empfindlich!). In der letzten Zeit habe ich mich dann aber langsam daran gewöhnt. Alles ist hier ein bisschen provisorisch, aber Grant ist wirklich nett und zusätzlich zu einem vollen Gehalt bekomme ich freies Benzin und alle Mahlzeiten gestellt. Außerdem wohne ich in einem Wohnwagen direkt neben dem Haus, den ich ja sauber halten kann wie ich will und habe ein eigenes Badezimmer, das von außen des Hauses zugänglich ist.

Grant redet sehr sehr gerne, am liebsten über Politik und Geschichte. Ob das gegenüber grade interessiert ist, ist ihm dabei relativ egal, was mich schonmal zu einem genervten Augen rollen bringt. Außerdem ist Zeit für ihn etwas, das keine Rolle spielt. Letzte Woche verkündete er morgens, wir würden nach dem Frühstück die Pferde satteln und ein paar Schafe 15 km entfernt eintreiben. Mittags (noch nicht gesattelt) sagte er dann wir würden es direkt nach dem Mittagessen anpacken. Ich solle die Pferde schonmal fertig machen. Gesagt, getan. Zwei Pferde fertig - wo ist Grant? Ich fand ihn schlafend am Küchentisch. Geweckt, wieder raus gegangen. Immer noch kein Grant. Wieder eingeschlafen. “Ich gehe kurz auf Klo, nimm dir schonmal einen Hund und Treib nur kurz die Schafe hier am Haus ins paddock ohne Pferde“. Hund hörte nicht auf mich. Frustrierend. Kein Grant.

Naja, im Endeffekt sind wir im Dunkeln losgezogen, haben die weit entfernten Schafe geholt und waren um halb zwölf nachts wieder Zuhause. So ist Grant. Aber großzügig, freundlich und meistens geduldig. Das gleicht die chaotische Seite wieder aus!

Nach acht Tagen durcharbeiten habe ich meinen ersten Scheck bekommen und habe mich mit Troy auf halbem Wege getroffen. Zum Glück war es für die 2,5 Tage mal trocken und sonnig und wir haben die Zeit zusammen in vollen Zügen genossen. Der Plan ist, dass ich hier auf der Farm jetzt bis Ende Oktober bleibe und dann Anfang November auf der Farm von Troy bei der Getreide-Ernte den Traktor fahre. Da freue ich mich natürlich drauf!!

Kommentar schreiben