Auf anderen Wegen

Berichte von 09/2020

Samstag, 19.09.2020 Nachtschicht-Eulen

Ein weiteres Mal sitze ich mit meinem Kaffee in der Sonne und schreibe euch ein Update von unserem Leben. Momentan kann man jede Woche spüren, wie es wärmer wird und die Tage werden länger. Heute morgen ist es zwar windig, aber der Wind ist angenehm warm. Es ist richtig schön auf unserer eigenen Terrasse zu sitzen, Kaffee aus meiner eigenen (Weltkarten-) Tasse zu trinken und die drei Hühner zu meinen Füßen sitzen zu haben, während sie genüsslich ihr Gefieder putzen und ab und zu zufriedene Gurrlaute von sich geben. Die ganze Woche haben wir wieder in Casterton verbracht und dabei auch noch nachts gearbeitet. Da kommt mir ein warmer Morgen Zuhause vor wie das Paradies. Ich weiß natürlich, dass viele Menschen Nachtschicht arbeiten und auch immer wieder Arbeitszeiten wechseln. Für mich ist es jetzt das erste Mal, dass ich abends nicht zu meiner eigenen Zeit ins Bett kann und ich finde es wirklich anstrengend. Wir sind meistens gegen drei Uhr morgens im Bett in der Unterkunft - und während ich bei Frühschicht locker auf meine 8-10 Stunden Schlaf komme, bin ich bei der Spätschicht meistens um spätestens halb neun wach. Verrückt - als teenager wären diese Arbeitszeiten ja mein Traum gewesen. Bis mittags schlafen, die ganze Nacht wach sein... aber jetzt werde ich sehr garstig, wenn mein Schlafrhythmus verändert wird. Ich genieße allerdings die Gelegenheit, morgens in Casterton am Bach spazieren zu gehen. Die wilden Lilien blühen in voller Pracht und die Vögel sind aktiv wie nie. Verschiedenste Sittiche und Loris, Kakadus und alle möglichen anderen gefiederten Freunde brüten und ziehen ihre Junge auf. Ich kann mich auch nach den Jahren nicht satt sehen an unserer Natur hier in Australien. 

An den Wochenenden verbringen wir weiterhin den Großteil der Zeit Zuhause und versuchen, unser Haus zu optimieren wo wir können. Vor zwei Wochen haben wir uns die Waschküche vorgenommen, die gleichzeitig der hintere Eingang unseres Hauses ist. Dadurch, dass die Häuser hier auf hölzernen Stelzen stehen, gibt es immer wieder kleinere Risse in den Wänden. Der Vorbesitzer hat einige dieser Risse auch ausgefüllt, aber das Material weder abgeschliffen, noch überstrichen. Das Ergebnis war eine hell-ockerfarbene Waschküche mit unregelmäßigen Flecken hier und da an der Wand. Zusätzlich ist die Tür und Rahmen sowohl innen als auch außen völlig zerkratzt, und an den Kanten ausgebrochen. Die Tür war uns schon lange ein Dorn im Auge und nachdem wir eine Hälfte der Waschküche weiß gestrichen hatten, haben wir uns entschieden die Hälfte, die an die Tür angrenzt erstmal so zu lassen, wie sie ist und haben stattdessen einen Türbauer kommen lassen, der uns eine neue massive und schöne Tür einbauen soll. Nun, auf den Kostenvoranschlag warten wir jetzt schon eine ganze Weile. Handwerker UND Australier - das kann ja nur dauern ;-) 

Letztes Wochenende war es sehr windig und sonnig. Typisch australisches Wetter. Und da meine Obstbäume alle noch sehr jung sind und daher ein bißchen windempfindlich, habe ich viel Zeit damit verbracht eiserne Stangen in den Boden zu hämmern und einen Windschutz anzubringen, der auch Schatten spendet. Ihr werdet es mir nicht glauben - aber am nächsten Tag hat der Wind gedreht und kommt seither aus der anderen Richtung. Das erste Mal, seit wir hier wohnen. Ich kann es nach wie vor nicht fassen, aber werde erstmal ein paar Wochen abwarten, bevor ich mir die ganze Arbeit noch einmal mache. 

Unsere Chickensitter Peter und Lorraine haben uns letzte Woche erzählt, dass einer der Nachbarn jetzt zunehmend Besuch von unseren Mädels bekommt. Ich bin immer besorgt ob die Nachbarn sich von den dreien gestört fühlen. Wir haben daher sechs Eier eingepackt und sind zu Robert, der zwar gegenüber von uns wohnt, den wir aber bisher höchstens mal von weitem gesehen haben. Eigentlich wollten wir uns für die Mädels entschuldigen, aber er hat sofort angefangen, ganz begeistert zu erzählen wie sie auf seiner Terrasse sitzen und sich in der Sonne ausbreiten. Ein richtig netter Mann. Wir haben ihm noch den Hinweis gegeben, besser keine Autotüren offen zu lassen. Aus unersichtlichen Gründen scheint es nichts verlockenderes zu geben, als im Fußraum eines Autos zu sitzen. An seiner Reaktion konnten wir aber erahnen, dass er zu diesem Schluß auch schon selbst gekommen war. Oh man, wir haben wirklich Glück, dass alle unsere Nachbarn so tierlieb sind!!

Troy und ich haben übrigens die Angewohnheit, songs in hühnertaugliche Texte umzuwandeln:

"She is the perching queen, young and sweet with her pecking beak"

"all the single chickens, all the single chickens, put your wing up"

"you are my chicken, my only chicken"

ich glaube wir haben wirklich Glück, dass nur sehr selten Menschen an unserem Grundstück vorbei kommen ;-)

Seit Mittwoch sind hier einige Corona Maßnahmen gelockert worden. Wir dürfen jetzt tatsächlich wieder Gäste empfangen und das Haus ohne triftigen Grund verlassen. Endlich normalisiert sich zumindest ein Teil des Alltags. 

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