Auf anderen Wegen

Mittwoch, 23.08.2017 Schafe, so weit das Auge reicht

Drei Wochen in Bigga in diesem unordentlichen Haufen namens The Alps. Ich bin in den letzten drei Wochen durch so ziemlich jedes Gefühl mal durch gelaufen. Grant hat sehr sehr gute und freundliche Seiten, kann aber leider innerhalb von Sekunden zum fluchenden Berserker werden, der Sachen durch die Gegend schmeißt, tobt und nur noch rot sieht.Meistens geht diese Aggression zum Glück nicht gegen mich. Letzte Woche allerdings hat er mich fast dazu gebracht, einfach meine Sachen zu packen. Er hatte mir den Auftrag gegeben mit einem der Hunde 5 Schafe auf einen anderen paddock zu treiben. Dazu muss man wissen: je kleiner die Gruppe, desto schwerer ist es sie in eine bestimmte Richtung zu treiben, weil Schafe sich gerne kollektiv bewegen. Bei 50 Schafen ist die Wahrscheinlichkeit, da ein paar die richtige Richtung einschlagen sehr viel wahrscheinlicher. Mit einem ordentlich ausgebildeten Hund wären auch 5 Schafe kein Problem - aber keiner der Hunde hier ist wirklich ausgebildet. Auf jeden Fall hat der Hund irgendwann ein Schaf raus gepickt und quer über den paddock durch einen Zaun gejagt. Einmal auf der anderen Seite gab es für mich keine Chance mehr, das Schaf zu erreichen. Das Donnerwetter danach hatte sich gewaschen. “muss ich denn hier alles selber machen, kannst du noch nicht mal den Hund dazu bringen zu gehorchen... “ die Schimpfwörter spare ich hier lieber aus. Wie schön wäre es, wenn ich in so einer Situation einfach zurück schreien könnte, wütend und selbstbewusst. Aber nein, wer mich kennt weiß, dass ich bei Wut erstmal anfange zu heulen wie ein kleines Kind. Grant hat sich dann auch ziemlich schnell wieder gefangen und hundertmal entschuldigt, aber das schlechte Gefühl blieb. Es war auch wirklich unfair, weil der Hund noch nicht mal ihm gehorcht. On Top kam an dem Tag noch, dass abgesprochen war, dass ich die Farm  schon gegen vier fürs Wochenende verlasse, damit ich hier nicht im Dunkeln fahren muss. Hier gibt es sehr viele Kängurus und Wombats (letztere sind so solide, dass sie ein Auto angeblich zerstören, wenn man kollidiert). Im Endeffekt war ich erst um sieben wieder auf der Farm. Grant wollte mich dann überreden erst am nächsten Tag zu Troy zu fahren, aber ich wollte nur weg. Die drei Tage Auszeit mit Troy habe ich dann auch gebraucht um wieder zu mir zu kommen.

Gestern war Grant's Frau den ganzen Tag hier und ich habe mit ihr darüber gesprochen, wie sehr mir diese Stimmung manchmal aufs Gemüt schlägt. Ich glaube sie hat ihm ganz schön den Kopf gewaschen, heute hat er sich nämlich sehr viel Mühe gegeben ;-) ich glaube wenn ich nicht mein eigenes Auto hätte würde ich nicht hier bleiben. Da ich aber immer meine Fluchtmöglichkeit hier habe, warte ich einfach erstmal ab und fülle weiterhin das Konto auf. Mein Auto lasse ich übrigens schon nur noch 1,5 km den Berg hoch stehen. Der letzte Abschnitt unserer Auffahrt ist so steil, huckelig und ausgewaschen, dass Troy mir empfohlen hat, meinem Roody das nicht anzutun. 

Es gibt aber auch schöne Sachen zu erzählen. Mein kleines Flaschen-Lamm zB. Bummie ist inzwischen 2 Wochen alt und folgt mir auf Schritt und Tritt, wenn ich ihn nicht einsperre. Flaschenkinder wachsen wohl sehr viel schneller als normale Lämmer, weil sie mehr Milch von uns bekommen können als von einer natürlichen Mutter. Bummie ist eigentlich immer hungrig - und wenn nicht, nuckelt er trotzdem an der Flasche, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Inzwischen entdeckt er seinen Körper und macht dauernd Bocksprünge, wenn er läuft. Und er nimmt alles in das winzig kleine Maul, was er finden kann. Auf der Koppel wäre das wahrscheinlich Heu und Gras, hier ist es aber auch mal mein Schuh, meine Jacke, alles an Werkzeug, was man benutzen will und generell alles, wo man Menschen am besten den Weg versperren kann. Leider interessiert er sich überhaupt nicht für andere Schafe. Selbst die beiden ehemaligen Flaschenkinder, die sich bevorzugt ums Haus herum aufhalten (ausgewachsene Schafe) interessieren ihn nicht. Er denkt einfach, er ist ein Mensch und ich bin seine Mama. Aber vielleicht ist das der Sinn, dass ich hier gelandet bin. Wo sonst wäre ich Schaf-Mama geworden ;-)

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