Auf anderen Wegen

Donnerstag, 01.04.2021 Die Kugel wird rund

In den letzten Wochen war irgendwie nicht der richtige Zeitpunkt, um über mein Leben zu schreiben. Wenn Zuhause etwas trauriges passiert, fällt es mir immer doppelt und dreifach schwer, so weit weg zu sein. Troy und ich haben uns in den letzten Wochen viel Zeit genommen, uns darauf zu besinnen, was für ein Glück wir bisher in meiner Schwangerschaft haben und unser kleiner Sohn gibt sich zunehmend Mühe, sich seinen Weg in die Welt frei zu treten. Einerseits sind wir bereit für den nächsten Schritt, auf der anderen Seite haben wir beide aber auch das Gefühl, dass wir durchaus noch ein paar Monate unsere geliebte Freiheit genießen könnten, bevor unser Leben unwiderruflich auf den Kopf gestellt wird. 

Ich bin inzwischen in der 30. Woche und ich frage mich eigentlich fast täglich, wo die Zeit denn nur hin ist. Ich glaube dadurch, dass ich weiterhin viel gearbeitet habe, kam mir zwar der ein oder andere Tag unglaublich lang vor, aber im großen und ganzen sind die Wochen nur so dahin geflogen. Ich bin inzwischen in Portland in unserer Haupt-Niederlassung im Büro eingesetzt. Das hat den großen Vorteil einer sauberen Küche, Toilette und Klimaanlage - nur leider gibt es in Portland kaum etwas für mich zu tun und meistens arbeite ich etwa 1-2 Stunden und sitze die restlichen 6 Stunden meine Zeit ab. Das ist doppelt ärgerlich, da Portland fast 100 km von Hamilton entfernt ist und meine Firma sich weiterhin weigert, mir die Zeit oder das Benzin zu bezahlen. Es ist vorgekommen, dass ich 1 Stunde hin fahre, 20 Minuten arbeite und dann Däumchen drehe, bis endlich vier Uhr ist - und solche Tage sind einfach viel anstrengender, als solche vollgepackt mit Aufgaben. 

Als kleiner Kompromiss wurde mir inzwischen gestattet, zwei Tage pro Woche im home office zu arbeiten.  Ich dachte erst, vielleicht lassen sich meine Kollegen dann was einfallen, um mich doch richtig zu beschäftigen, aber tatsächlich war es an den ersten beiden Tagen so, dass ich das Laptop den ganzen Tag aufgeklappt und bereit hatte, aber einfach keiner etwas für mich zu tun hatte. Ein komisches Gefühl, aber wenigstens konnte ich dann in Ruhe meine Übungen machen, zwischendurch mal in den Garten und ein bißchen Haushalt erledigen und habe mir die Anfahrt gespart. Hund und Hühner sind außerdem auch ganz begeistert davon, dass fast immer jemand Zuhause ist. 

Das Krankheitssystem hier in Australien ist anders, als in Deutschland. Pro Monat erarbeitet man sich Kranktage, die sich im Optimalfall über die Jahre ansammeln. Nachdem diese Tage aufgebraucht sind, kann man Urlaubstage nehmen und danach dann eben unbezahlten Urlaub. Da tatsächlich langsam mein Rücken schlapp macht bin ich also diese Woche zuhause geblieben und habe jetzt noch 4 Tage übrig, die ich innerhalb der nächsten Wochen noch nehmen kann, wenn ich mich danach fühle. Der Mutterschutz ist auch hier bei uns 6 Wochen, allerdings unbezahlt. Ich werde also nach Ostern noch 4 Wochen arbeiten und dann meinen angesparten Urlaub auf halber Bezahlung nehmen. Wenn der Kleine sich dann zu uns gesellt, bekomme ich 12 Wochen von meiner Firma bezahlt (ein Bonus das im Vertrag geregelt ist) und 18 Wochen auf Mindestlohn vom australischen Staat. Insgesamt werde ich aber die Möglichkeit haben, 2 Jahre Zuhause zu bleiben, was ich auch nutzen möchte. Wir haben hier schließlich niemanden, dem ich meinen Sohn zur Betreuung geben könnte und solange es finanziell für uns möglich ist, werde ich die Zeit mit Kind sicherlich genießen. Und ein paar Monate zuhause in Deutschland sind natürlich auch fest eingeplant, sobald das wieder möglich ist. 

Während ich auf Deutschland immer mehr Frühlingsbilder geschickt bekomme, zieht bei uns der Herbst ein. Die europäischen Bäume in unserem Garten verlieren ihre Blätter (die australischen werden nicht rot, sondern fallen einfach das ganze Jahr über ab), die Tage werden kürzer und eine ausgewachsene Mäuseplage ist in Hamilton eingezogen. Es scheint zwar fast, als würde dem Sommer erst jetzt einfallen, dass er uns hier im Süden ganz vergessen hatte und er schickt nochmal schnell ein paar +30° Tage zu uns, aber die Zeichen des Herbstes lassen sich nicht übersehen. Bezüglich der Mäuse hatten wir übrigens eigentlich gehofft, dass unser Hund sich als nützlich erweisen würde, aber offensichtlich füttern wir zu viel, denn selbst wenn eine Maus an ihrer Nase vorbei läuft, zeigt sie wenig Interesse. Jeden Herbst ärgere ich mich über die australische Bausubstanz, die es Mäusen so viel einfacher macht es sich im Haus bequem zu machen. 

Dieses Wochenende fahren wir sozusagen noch ein letztes Mal weg. Wir haben hin und her überlegt, wo es hingehen soll und haben uns jetzt entschieden, nach Adelaide zu fahren. Für mich ist das auch ein bißchen nostalgisch, weil ich ja damals vor fast fünf Jahren meinen ersten Job in der Nähe von Adelaide hatte. Ich kann nur nochmal sagen, Wahnsinn wie die Zeit vergangen ist. Wir werden 2 Nächte dort verbringen und einen der beiden Tage nach Hahndorf fahren. Falls ihr euch erinnert, das ist eine deutsche Siedlung in der Nähe von Adelaide, die inzwischen ein Touristenmagnet ist wegen ihrer deutschen Geschäfte und Restaurants. Okay, hier in Australien denkt man, ganz Deutschland trägt Lederhosen und isst Schweinshaxen, aber die Atmosphäre dort ist auf jeden Fall einen Besuch wert - und ein deutsches Restaurant dort verdient sich tatsächlich diese Bezeichnung. 

6 Stunden Fahrt für ein Wochenende, das würde man wahrscheinlich in Deutschland niemals machen, aber wir freuen uns auf den Trip und darauf, nochmal was anderes zu sehen 🍀

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